Verblasste Spuren

Obermayer German Jewish History Award 2015 

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Ein Nachruf auf Rolf Kralovitz

Der Holocaustüberlebende, Kabarettist, Schauspieler und Autor Rolf Kralovitz ist tot. Der ehemalige Buchenwald-Häftling, der am 15. Juni 1925 in Böhlitz-Ehrenberg geboren wurde, starb am 21. Juni 2015 nur wenige Tage nach seinem 90. Geburtstag in seiner Wahlheimat Köln.

In seiner Kindheit verbrachte der Sohn des jüdischen Kaufmanns Max Kralovitz und dessen Ehefrau Martha auch immer wieder Zeit in Altenburg. Das Wohnhaus der Familie Cohn/Bucky/Levy in der Bismarckstraße 2 (heute Rudolf-Breitscheid-Straße) besuchte er regelmäßig. Sally Bucky war der Bruder der Großmutter von Rolf Kralovitz: Lina (Caroline) Burgheim.

Rolfs Vater Max emigrierte Mitte der 1930'er Jahre nach Ungarn und hatte vergeblich versucht, die Familie zu sich zu holen. Ab 1939 konnte Rolf Kralovitz die Carlebachschule nicht mehr besuchen, da er Zwangsarbeit als Totengräber auf dem Leipziger Ostfriedhof leisten musste. Die ungarische Staatsangehörigkeit schützte die Familie noch bis 1943 vor einer Deportation. Doch am 11. Oktober 1943 wurden Rolf Kralovitz, seine Mutter und seine Schwester Annemarie verhaftet. Während die Frauen in das Konzentrationslager Ravensbrück kamen, verschleppte man Rolf Kralovitz in das Konzentrationslager Buchenwald, dessen Befreiung er am 11. April 1945 miterlebte. Seine Erlebnisse dort verarbeitete er unter dem Titel "ZehnNullNeunzig in Buchenwald" (1996), ein Werk, das zu den meistgelesenen Texten über den Holocaust gehört.

Rolf Kralovitz überlebte als einziges Familienmitglied die Zeit des Nationalsozialismus: der Vater und die Schwester wurden 1944 in Auschwitz ermordet, Rolfs Mutter 1945 in Ravensbrück. "Rolly", wie Familienmitglieder ihn nannten, kehrte 1945 nach Leipzig zurück und startete eine Laufbahn als Kabarettist und Schauspieler. 1946 ging er nach München, 1949 emigrierte er in die USA. 1952 heiratete Rolf Kralovitz die Tochter des Schriftstellers Walter Meckauer, Brigitte. Im folgenden Jahr kehrte er – gemeinsam mit Ehefrau Brigitte – nach München zurück. Nach seinem Wirken als Schauspieler übernahm Rolf Kralovitz 1960 die Position eines Produktionsleiters beim WDR. Seine völlige Erblindung 1976 führte zur Frühpensionierung. Gemeinsam mit Ehefrau Brigitte, die 2014 verstarb, schrieb und publizierte Rolf Kralovitz Hörspiele und Features.

Rolf Kralovitz wurde zu einem wichtigen Zeitzeugen, der viel Kraft und Herzblut in die Erzählung seiner Familiengeschichte und damit die Geschichte der Verfolgung in der NS-Zeit, investierte. Auch gerade die Art des Erzählens machte Rolf Kralovitz zu einem begehrten Gesprächspartner. Wer ihn zu seinen Verwandten in Altenburg befragte, bekam stets neue interessante Episoden zu hören. Rolf Kralovitz war voller Erinnerungen und stets bereit, diese mit Anderen zu teilen.

Rolf Kralovitz unterstützte die Angehörigen der Familie Cohn/Bucky/Levy bei der Rückübertragung der Grundstücke in Altenburg und vertrat auch Hans Levy bei der Namensweihe des "Marianne-Bucky-Hauses" am 31. Mai 1996.

Der Träger der Ehrenmedaille der Stadt Leipzig hinterlässt eine kaum zu füllende Lücke. Vor allem sein nahezu unerschöpflicher Vorrat an Erinnerungen und Informationen, sein Humor und sein stets freundliches Wesen werden fehlen.