Verblasste Spuren

Obermayer German Jewish History Award 2015 

Heute vor 90 Jahren: Der (erfolglose) Judenboykott im Altenburger Land

Heute vor 90 Jahren wurde auch im Altenburger Land der „Judenboykott“ ausgerufen. Die als „deutsche Abwehrreaktion gegen jüdische Greuel- und Boykottpropaganda“ angekündigte Aktion fand reichsweit statt. Im Altenburger Land waren die Schwerpunkte die Städte Altenburg und Meuselwitz.

boykottaufruf1933Schon tags zuvor wurde zum Boykott aufgerufen und in Altenburg eine Massenkundgebung im „Preußischen Hof“ (Teichstraße 4) durchgeführt. Dort wurde angekündigt: „Am 1. April, Bismarcks Geburtstag, steht die SA in eiserner Disziplin, aber in unerbittlicher Strenge vor den Eingängen der jüdischen Geschäfte. Die Namen derer, die versuchen, ein jüdisches Geschäft zu betreten, werden festgestellt und veröffentlicht“. Im Hinblick auf die kurz zuvor abgesagte Konzert Felix Freilichs (1920-2002) in der Brüderkirche wurde gedroht: „Es wird auch nicht mehr vorkommen, dass ein Jude in einer christlichen Kirche spielt“. Doch die Lage für die Nationalsozialisten war zu dieser Zeit noch nicht gefestigt in Altenburg uns so wurde beklagt: „In Altenburg ist der Kampf besonders langwierig. Viele sind immer noch nicht loszubringen vom jüdischen Kaufhaus“. Betroffen vom Boykott waren vor allem die jüdischen Geschäfte in der Sporenstraße, also das Kaufhaus M. & S. Cohn und die Schuhgeschäfte Dannemann und Nordheimer´s (Familie Blank). Doch erfolgreich war der Boykott nicht. „Die Ansammlungen wurden besonders in der Sporenstraße in der Sporenstraße immer stärker, der größere Teil der Massen bestand aus Gegnern des Boykotts, die dichtgedrängt auf dem Bürgersteig vor dem Kaufhaus standen, sodass die Lage ziemlich gefährlich aussah. Bis 10 Uhr hatten die jüdischen Geschäfte trotz der angekündigten Aktion verkauft. Kurz vor 10 Uhr erschienen wenige Polizeibeamte, die versuchten, wenigstens den Bürgersteig vor dem Kaufhaus Cohn zu räumen. Das Gedränge blieb jedoch. Um 10 Uhr marschierte aus der Menge mit vereinzelten Freiheit- und Pfuirufen begrüßt, von der Burgstraße her, eine Sturmabteilung der Nationalsozialisten in die Sporenstraße. Einige hatten Stahlhelme auf. Es wurden Schilder getragen, die die Boykottaufforderung bekanntmachten. Die Menge gab den Kaufhauseingang nicht frei. Durch den Widerstand der Menge bedroht, trieben sie sie mit Gewalt die Straße abwärts oder in die Eingänge des Kaufhauses. Dass gefährlicher Widerstand geleistet wurde, zeigte eine klaffende Wunde eines SA-Mannes“. Während die Geschäfte in der Sporenstraße offen blieben, wurden die auf dem Markt (M. Kaiser, Schuhhaus Löwenstamm) von den Nationalsozialisten, das jüdischen Eigentümern gehörende Kaufhaus Konys & Kruschke am Kornmarkt 12 schloss von selbst. Nicht bekannt ist, wie es sich mit den Geschäften von Isaak Rotenberg, Wolf Goldberg und Cilly Goldberg am Kornmarkt und Topfmarkt verhielt.

Judenboykott GZ02041933In Meuselwitz waren das Kaufhaus Jacob Fruchtmann, das Schuhgeschäft Selig Hausmann, das Strumpfgeschäft Isaak Katz, das Schuhgeschäft L. Leschziner (Familie Pick) und die Rohprodukthandlung von Leon Rubin vom Boykott betroffen. Auch in Meuselwiz bekamen die jüdischen Geschäftsinhaber Unterstützung von Angehörigen des „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“. Es gab eine Durchsuchung des Kaufhauses Jacob Fruchtmann, in deren Folge 13 Reichsbanner-Angehörige verhaftet wurden. Insgesamt blieb die Lage in Meuselwitz ruhig.

Die Ereignisse des „Judenboykotts“ in Altenburg und Meuselwitz zeigen, welche Kraft die Gegner der Nationalsozialisten zu diesem Zeitpunkt noch hatten und ihrer Haltung auch öffentlich Ausdruck verliehen. In der „Sammlung Bonde“ im Landesarchiv Thüringen – Staatsarchiv Altenburg finden sich Aufnahmen des Boykotts, die ein Meer von Demonstranten und nur eine Handvoll SA-Männer mit Plakaten zeigen.

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