Am frühen Morgen des 1. September dieses Jahres verstarb Holocaust-Überlebender Olaf Strassmann in einem Krankenhaus in Kfar Saba (Israel). Olaf Strassmann war 1932 in einer Werkswohnung der Zuckerraffinerie Rositz in Zechau-Leesen als Sohn des Kaufmanns Philipp Strassmann und dessen Ehefrau Marie geboren worden. 1934 zog die Familie nach Altenburg. 1938 wurde der Vater ohne Vorwarnung aus Deutschland ausgewiesen und 1941 bei Stryj in der heutigen Ukraine ermordet. Olaf Strassmann konnte in Altenburg 1938 keine staatliche Schule mehr besuchen und wurde in Leipzig an einer jüdischen Schule unterrichtet. Da der Schulweg für den erst sechsjährigen Olaf zu beschwerlich war, wurde er im Jüdischen Kinderheim Leipzig untergebracht, wo er bis 1941 blieb. Die Mutter wurde 1943 wegen angeblicher „Wehrkraftzersetzung“ zu einer Zuchthausstrafe verurteilt und Olaf sowie sein kleinerer Bruder Joachim kamen in das Jüdische Krankenhaus Berlin, in dem eine Waisenstation bestand. 1944 wurden die Brüder in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Von den 54 nach Theresienstadt deportierten Personen waren am 10. Mai 1945 – dem Tag der Befreiung des Ghettos – gerade noch 17 am Leben. Unter den Lebenden waren die beiden Strassmann-Brüder, was nicht selbstverständlich war. Die beiden Brüder standen auf einer Deportationsliste nach Auschwitz und wären damit dem sicheren Tod geweiht gewesen. Im letzten Moment konnte die Deportation verhindert werden, weil ihre Mutter keine jüdischen Wurzeln hatte. Im Juni 1945 kehrten die Brüder zu der 1944 aus der Haft entlassenen Mutter zurück. Noch kurze Zeit blieben sie in Altenburg, dann zogen sie nach Rositz. Die Mutter hatte das Ladengeschäft nebst Wohnung zurückerhalten. Das erste Mal seit 1941 besuchte Olaf Strassmann wieder eine Schule – doch er bestand darauf, nicht – wie vom Schulleiter vorgeschlagen – nicht in die vierte, sondern die achte Klasse eingeschult zu werden, schließlich war er bereits 13 Jahre. So kam es. 1948 zog es Olaf Strassmann zu seinen 1939 nach Erez Israel ausgewanderten Geschwistern und so reiste er mit einer Jugendgruppe nach Israel. Er kam in den Kibbuz Na’an, wo er um 1951 seine spätere Frau Ziona kennenlernte. Beide heirateten 1955. Die glückliche Ehe hielt bis zum unerwarteten und nie ganz überwundenen Tod der Ehefrau im Jahr 2012. Das Paar hat drei Töchter groß gezogen. Olaf Strassmann arbeitete bis zu seiner Pensionierung 1997 über 30 Jahre bei der israelischen Fluggesellschaft El Al.
Seine Heimat hat Olaf Strassmann nie vergessen und war ihr eng verbunden. Sobald sich die Möglichkeit ergab, nach Altenburg zu kommen, nutzte er sie – auch dank der freundlichen Unterstützung von Dr. Christa Grimm, die bis zuletzt eine enge Vertraute Olaf Strassmanns war. Mit wenigen Ausnahmen kehrte Olaf Strassmann fortan jedes Jahr nach Altenburg zurück und hatte stets einen prall gefüllten Terminkalender auf seiner „Urlaubsreise“. Denn es war ihm ein besonderes Anliegen, speziell jungen Menschen seine Lebensgeschichte zu erzählen. Wie Bruder Ingolf wurde Olaf Strassmann zu einem wichtigen Zeitzeugen. Ein wichtiger Zeitzeuge war er auch besonders deshalb, weil er einen besonderen Zugang zu jungen Menschen hatte, die Gräuel der NS-Zeit wohldosiert erzählte und seinen Vortrag immer wieder durch heitere Anekdoten aus seinem Leben auflockerte. Trotz der grausamen Dinge, die Olaf Strassmann widerfahren sind, bestimmten nicht Hass, Groll oder Schuldzuweisungen seine Erzählungen, ihm ging es um das verbindende, versöhnende Element. Seine zahlreichen Altenburger Freunde bewunderten und schätzten genau diese Eigenschaft.
Ob fast schon in guter Regelmäßigkeit im Christlichen Spalatin-Gymnasium, zu dessen Leiterin sich schnell eine freundschaftliche Verbindung entwickelte, ob zu Projekttagen in anderen Schulen, in Zeitzeugengesprächen oder Interviews: Olaf Strassmann wurde nicht müde, seine Geschichte zu erzählen.
Olaf Strassmann war ein besonderer Mensch, besonders warmherzig, freundlich und mit einer starken Prise feinen Humors gesegnet. Olaf Strassmann wird fehlen: Als Freund, als Gesprächspartner, als Zeitzeuge. Im Rahmen eines Interviews für seine Biografie, die bei einem geplanten Besuch Olaf Strassmanns in diesem Jahr fertig gestellt werden sollte, gab er als letzte Antwort auf die Frage, was er den Lesern mit auf den Weg geben möchte, die folgende: „Das Wichtigste im Leben ist, sofort wieder aufzustehen, wenn das Leben dich umwirft. Das ist nicht immer leicht, manchmal scheinbar unmöglich, aber du musst es versuchen. Hätten meine Mutter, Joachim oder ich auch nur an einer Stelle im Ghetto oder im Zuchthaus unsere Hoffnung auf bessere Zeiten aufgegeben, wären wir verloren gewesen. Es geht immer irgendwie weiter“.
Olaf Strassmann verstorben: Altenburg verliert wichtigen Zeitzeugen
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