Verblasste Spuren

Obermayer German Jewish History Award 2015 

"...barfuß mit Gummiknüppel geschlagen und wie ein Hund zum Polizeigefängnis gejagt."

pogromgedenken2020 webHeute erinnern überall auf der Welt Menschen an die Pogromnacht von 1938. Dieser inszenierte "Volkszorn", der unzählige Menschen im gesamten Deutschen Reich in Angst und Schrecken versetzte, nicht wenige in den Selbstmord trieb, die Verhaftung, Erniedrigung und Misshandlung zum Gegenstand hatte und jüdische Geschäfte und Gotteshäuser beschädigte oder zerstörte, machte auch den Juden im Deutschan Reich, die bislang noch hofften, dass die nationalsozialistische Herrschaft eine vorübergehende Erscheinung ist, endgültig klar, dass sie sich ihrer Gesundheit, ja, ihres Lebens nicht mehr sicher sein konnten. Die Zerstörung von Eigentum, das Beschimpfen, Misshandeln oder Bespucken von wehrlosen Opfern oder auch die massenweise Verhaftung von Juden - kurzum der ungezügelte Hass gegen jüdische Nachbarn - brach sich überall in Deutschland Bahn, von der Großstädt bis hin zu manch verschlafenen kleinen Dorf.

Auch für die Bewohner des Altenburger Landes fanden diese schrecklichen Szenen nicht irgendwo entfernt in Berlin oder Leipzig statt: Vor ihrer Haustür, in Altenburg, Meuselwitz, Rositz und Gößnitz zogen SA-Trupps durch die Straßen und verbreiteten Angst und Schrecken. Unmutsbekundungen gab es wenige, lautstarke fast gar nicht. Dennoch gab es auch Trost, Unterstützung und Schutz für jüdische Nachbarn oder Freunde. Inzwischen sind die Ereignisse der Pogromnacht von 1938, die sich im Altenburger Land im Wesentlichen auf die frühen Morgenstunden des 10. November, beschränkten, recht gut rekonstruiert. Wenige Aufzeichnungen und persönliche Aussagen zu den Pogromen sind überliefert. Das im Titel dieses Artikels genannte Zitat entstammt der Schilderung Markus Hittmanns über seine Verhaftung. 28 jüdische Bewohner des Altenburger Landes, darunter auch der erst 15-jährige Gerhard Kohn und der schon 77-jährige Sally Bucky, wurden brutal aus ihren Wohnungen gezogen und in "Schutzhaft" überführt. 21 männliche Juden wurden allein in Altenburg verhaftet, sechs Personen - darunter auch als einzige Frau Rosa Sternberg - in Meuselwitz sowie Chaim Tempel in Gößnitz.Einige der Verhafteten konnten die "Schutzhaft" noch am selben Tag verlassen, weitere am 12. November 1938. Am 11. November 1938 wurden aus Meuselwitz die fünf männlichen Verhafteten in das Konzentrationslager Buchenwald überführt, am folgenden Tag kamen aus Altenburg 12 und aus Gößnitz 1 Person hinzu. Hier waren die Internierten unterschiedlich lang in "Schutzhaft" - der erste Jude aus dem Altenburger Land konnte das Konzentrationslager am 17. November 1938 verlassen, der letzte erst am 7. Februar 1939.

mahnwache 101113 Auch wenn die Corona-Pandemie auch Auswirkung auf das diesjährige Pogromgedenken haben musste, durfte es der Pandemie nicht zum Opfer fallen. Und so findet in Altenburg zwar keine Veranstaltung vor Ort statt, aber führende Vertreter von Landkreis und Stadt sowie die Vertreter des ökumenischen Arbeitskreises haben sich in einer Erklärung zum Tag klar positioniert und der Kommunalpolitische Ring Altenburger Land sowie der Kreisjugendring Altenburger Land haben eine Licht-Tüten-Aktion initiiert, sodass im Altenburger Land auch im fordernden Jahr 2020 ein ehrendes Gedenken stattfindet. Erfreulich ist in diesem Zusammenhang, dass zahlreiche Menschen aus dem Altenburger Land bereits ihre Beteiligung an der symbolischen Aktion angekündigt haben und "Stolperstein-Paten" die Erinnerungstafeln aus Messing für den Gedenktag geputzt haben.

Neben allen jüdischen Familien des Altenburger Landes, die im Herbst 1938 hier lebten, gilt unser besonderes Gedenken den insgesamt 28 Verhafteten der Pogromnacht:

Altenburg

a) entlassen zwischen dem 10. und 12. November 1938:

Bucky, Sally (*1860 +1940, Tod im Exil)
Cohn, Julius (*1896 +1943, ermordet)
Freilich, Bernhard (*1887 +1945, ermordet)
Gildingorin, Leon (*1899 +1975)
Kornmehl, Chaim (*1876 +1940, Tod infolge der Verfolgungsmaßnahmen)
Oronowicz, Markus (*1900 +1955)
Rotenberg, Isaak (*1902 +1940, ermordet)

b) verschleppt in das Konzentrationslager Buchenwald am 12. November 1938:

Dannemann, Nathan (*1878 +1938, Tod infolge des Lageraufenthalts)
Hittmann (Hüttmann), Markus (*1902 +1984)
Kloß, Hermann (*1884 +1942, ermordet)
Kohn, Gerhard (*1923 +1982)
Kohn, Psachje (*1888 +1942, ermordet)
Kornmehl, Max (*1908 +1942, ermordet)
Leiser, Fritz (*1912 +2011)
Levy, Albert (*1886 +1943, ermordet)
Liebermann, Berek (*1897 +1974)
Lipschütz, Chaim (*1893 +1966)
Löwenstamm, Kurt (*1893 +1942, ermordet)
Rehfeldt, Max (*1903 +1977)
Wandstein, Samuel (*1893 +1955)

Gößnitz
Tempel, Chaim (*1884 +1949)

Meuselwitz

a) entlassen um den 13. November 1938:

Sternberg, Rosa (*1888 +1942, ermordet)

b) verschleppt in das Konzentrationslager Buchenwald am 11. November 1938:

Iliwitzki, Jowel (*1891 +1940, ermordet)
Katz, Isak (*1891 +1975)
Rubin, Isaak Leib (*1882 +1965)
Sternberg, Max (*1912 +1991)
Sternberg, Rolf (*1921 +1976)

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