Die Nationalsozialisten wandten sich 1938 mit der "Aktion Arbeitsscheu Reich" gegen missliebige Personengruppen wie Bettler, Landstreicher, Trinker oder so genannte "Arbeitsscheue", wobei die Auslegung der Begrifflichkeiten weit gefasst war. In einem Runderlass hatte Heinrich Himmler, der "Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei im Reichsministerium des Innern" ordnete mit einem Runderlass einen "einmaligen, umfassenden und überraschenden Zugriff" der Gestapo (Geheimen Staatspolizei) auf die "Arbeitsscheuen" an. Obwohl der Plan Himmlers zunächst keine konkret antisemitische Ausrichtung hatte und für Himmler eine einmalige Aktion sein sollte, kam es im Juni 1938 zu einer zweiten Verhaftungswelle, die als "Juni-Aktion" bekannt wurde und sich klar auf Juden fokussierte. Wohl nicht zuletzt als Druckmittel für die bereits geplante Evian-Konferenz, die sich mit der internationalen Verständigung zur Aufnahme deutscher Juden im Ausland befassen sollte, richtete man diese zweite Verhaftungswelle, die vom 13. bis 18. Juni 1938 stattfand, auch antisemitisch aus.
Im Altenburger Land traf die "Juni-Aktion" ausgerechnet einen jüdischen Handelsmann, der vom Schicksal bereits leidlich geprüft war. Israel Soltes, der 1895 im galizischen Rozniatow westlich von Stanislau geborenen wurde, war 1921 mit seiner Ehefrau Fajga nach Altenburg gezogen. Die Familie vergrößerte sich von 1922 bis 1928 um fünf Kinder. Fajga Soltes war wohl spätestens seit Anfang der 1930'er Jahre schwer erkrankt, die im Haus Brückchen 10 lebende Familie seitdem auf Wohlfahrtsleistungen angewiesen. Da sich der Gesundheitszustand seiner Frau immer weiter verschlechterte, entschied sich Israel Soltes, die fünf Kinder des Ehepaars 1933 nach Polen in Kinder- und Jugendheime zu senden, was sicher keine einfache Entscheidung war. 1935 starb Fajga Soltes und ihr Ehemann blieb allein in Altenburg zurück. Wohl als Angestellter eines anderen Unternehmens war Israel Soltes offenbar nicht mehr in der Lage, seinen Lebensunterhalt allein bestreiten zu können. Für die neue Staatsmacht war Israel Soltes damit ein "Arbeitsscheuer". Am 16. Juni 1938 wurde er in Altenburg verhaftet, verbüßte zwei Tage "Strafhaft" und kam dann am 18. Juni 1938, 11 Uhr, im Rahmen der "polizeilichen Vorbeugungshaft" in das Konzentrationslager Buchenwald. Er erhielt die Häftlingsnummer 7284, die Effektenkammer des Konzentrationslagers vermerkte "Arbeitsscheu" und "Jude", die beiden Winkelelemente, die Israel Soltes tragen musste. Wie die anderen Leidensgenossen musste Israel Soltes bei seiner Aufnahme eine schriftliche Erklärung unterzeichnen, in der er sich selbst als "Verbrecher" brandmarkte. So legitimierte er seine Verhaftung – selbstverständlich nur unter Zwang – selbst. Erst am 3. September 1938 wurde Israel Soltes aus dem Konzentrationslager entlassen und konnte nach Altenburg zurückkehren.
Doch sein Leidensweg war damit nicht beendet. Am 28. Oktober 1938 wurde Israel Soltes im Zuge der "Polenaktion" aus Deutschland ausgewiesen. Hier konnte er wenigstens auf seine Kinder treffen. Mit Ausnahme des 1925 in Altenburg geborenen Sohns Siegfried kamen alle Familienmitglieder später im Warschauer Ghetto um. Siegfried Soltes überlebte das Krakauer Ghetto, das berüchtigte KZ Plaszow (bekannt aus "Schindler´s Liste") sowie das Außenlager Ebensee des KZ Mauthausen und emigrierte 1953 nach Norwegen, wo er noch heute lebt.
Den 80. Jahrestag der "Juni-Aktion", der "Polenaktion" sowie der Pogromnacht würdigt Autor Christian Repkewitz in einer Erinnerungsschrift, die im Herbst dieses Jahres zweisprachig erscheinen wird. Nähere Informationen folgen.